Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende, die Saisons der PGA Tour und European Tour sind vorüber. Trotz der völlig zerfledderten Turnierkalender der beiden Touren war das Jahr 2020 voller golferischer Highlights. In Abwesenheit von Zuschauern – zugegeben, die Atmosphäre litt enorm darunter – wurden drei der vier Majorturniere ausgetragen, nur die British Open fand nicht statt. Zumindest bei der PGA Championship gab es mit Collin Morikawa einen Überraschungssieger – und auch ein US-Open-Triumph von Neu-Muskelpaket Bryson DeChambeau hätte vor diesem Jahr nicht jeder für möglich gehalten. Doch neben zahlreichen positiven Überraschungen, sorgte dieses Jahr bei einigen Golfern auch für Ernüchterung.

Mit Blick auf die Weltrangliste – keine Wertung bietet umfassenderen Aufschluss darüber, wie sich die Leistungen von Golfern im Laufe eines Jahres entwickeln – kürt Golf Post noch einmal abschließend die Gewinner und Verlierer des Golf-Jahres 2020.

Gewinner: Dustin Johnson und die jungen Wilden

Ganze fünf Spieler führten die Weltrangliste im Laufe des Jahres 2020 an. Wie schon zu Beginn des Jahres 2019, ging auch 2020 Brooks Koepka als Weltranglisterster in das neue Jahr. Doch dieser Zustand hielt nicht lange an, denn niemand startete furioser in das Jahr als Rory McIlroy. Viermal schlug er auf der PGA Tour ab, bevor die Saison aufgrund der Corona-Pandemie nach der ersten Runde der PLAYERS Championship am 15. März unterbrochen wurde, und bei jedem dieser vier Turniere landete der Nordire in den Top 5. Gleich nach seiner ersten Turnierteilnahme des Jahres bei der Farmers Insurance Open – McIlroy wurde geteilter Dritter, Koepka nahm aufgrund von Knieproblemen nicht am Turnier teil – übernahm Rory McIlroy den ersten Rang der Weltrangliste.

Doch die Unterbrechung der Saison dauerte fast drei Monate an und Rory McIlroy fand danach nicht mehr zu seiner Form zurück – er wirkte außer Tritt. Diese Chance nutzte Jon Rahm. Nach seinem Sieg beim Memorial Tournament überholte er McIlroy in der Weltrangliste und wurde am 20. Juli 2020 zum zweiten spanischen Weltranglistenersten der Geschichte. Zwei Wochen thronte der Spanier an dieser Position, bis Justin Thomas das World Golf Championship-FedEx St. Jude Invitational gewann und Rahm für eine Woche an der Spitze der Weltrangliste ablöste, bis dieser sich wiederum mit einem 13. Platz bei der PGA Championship zurück auf den Thron spielte.

Doch auch Rahm weilte nur zwei Wochen dort, bis Dustin Johnson ihn am 24. August ablöste. Dem Machtwechsel ging ein zweiter Platz bei der PGA Championship und der Titel beim Northern Trust voraus. An der Spitze angelangt, zementierte Dustin Johnson seine neue Rolle als Golf-Primus: Die BMW Championship beendete er als Zweiter, bei der Tour Championship und dem legendären US Masters griff er sich den Titel. Dazwischen landete er bei der US Open auf dem sechsten und bei der Houston Open auf dem zweiten Rang. Sechs seiner letzten sieben Turniere beendete Dustin Johnson also auf dem ersten oder zweiten Platz, die einzige Ausnahme bildete ein sechster Platz. Niemand beendete das Jahr auf einen ansatzweise ähnlich hohem Niveau wie Dustin Johnson. Völlig zurecht geht der Amerikaner als Weltranglistenerster in das Jahr 2021 und ist wohl der größte Gewinner des Jahres 2020.

Dustin Johnson. (Foto: Getty)

Dustin Johnson. (Foto: Getty)

Collin Morikawa und Bryson DeChambeau: Die Major-Überraschungen

Am 2. Juni 2019 lag Collin Morikawa noch auf Rang 2066 der Weltrangliste, ein Jahr und einen Monat später durfte sich der 23-Jährige ‘Major-Champion’ nennen. Morikawa ist ohne Frage einer der Gewinner des Jahres. Die Erfolgsgeschichte deutete sich zwar schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 an (mit seinem ersten Sieg auf der PGA Tour machte er einen großen Sprung in der Weltrangliste und lag Anfang 2020 bereits auf Rang 65), doch im Jahr 2020 erreichte diese noch einmal neue Sphären. Gleich beim ersten Turnier nach der Zwangspause, der Charles Schwab Challenge, spielte Morikawa furios und verpasste den Sieg nur knapp. Er wurde Zweiter.

Einen Monat später machte Morikawa den nächsten großen Sprung: Er gewann bei der Workday Charity Open eindrucksvoll zum zweiten Mal auf der PGA Tour. Wieder einen Monat später reiste Collin Morikawa zur PGA Championship, dem erst zweiten Majorturnier seiner Karriere. Er spielte munter mit, doch bis zum letzten Turniertag war der Name Collin Morikawa kein einziges Mal zu hören, wenn es um die möglichen Titelträger des ersten Major des Jahres ging. Doch im Finale steigerte sich der 23-Jährige im Vergleich zu seiner schon beeindruckenden Moving-Day-Runde noch einmal und gewann völlig überraschend die PGA Championship. Zwischenzeitlich kletterte er bis auf den vierten Rang der Weltrangliste, zum Jahresende liegt er auf dem siebten Rang.

Collin Morikawa. (Foto: Getty)

Collin Morikawa. (Foto: Getty)

Das zweite Majorturnier dieses Jahres, die US Open, gewann Bryson DeChambeau. Zu Beginn des Jahres lag der Amerikaner auf Rang 14 der Weltrangliste, am Jahresende auf Rang 5. Zurückzuführen ist diese Verbesserung mitunter auf die Transformation seines Körpers, die DeChambeau in der dreimonatigen Turnierpause vollzog. Der vorher eher schmächtig wirkende “Professor” trainierte sich nach eigener Aussage 20 Kilo Muskelmasse auf und bekam einen neuen Spitznamen verliehen: “Hulk”. Das Ziel dieser Transformation? Bryson DeChambeau wollte seine Schlagdistanz erhöhen – und dies gelang ihm. Mittlerweile gilt der 27-Jährige als Sinnbild der neuen Generation an Longhittern und niemand verkörpert den Spielstil “nicht schön, aber weit” treffender als er.

Das Ergebnis dieser völligen Veränderung seiner Erscheinung? DeChambeau blickt mit sieben Top-5-Resultaten – davon ein Triumph beim Rocket Mortgage Classic und der erste Majortitel seiner Karriere bei der US Open – auf das sportlich erfolgreichste Jahr seiner Karriere zurück. Er wird wohl verkraften können, dass Golf-Traditionalisten beim Betrachten seines Stil mindestens ein weinendes Auge haben.

Bryson DeChambeau. (Foto: Getty)

Bryson DeChambeau. (Foto: Getty)

Matthew Wolff: Ein amerikanisches Juwel

Die Wege von Collin Morikawa und Matthew Wolff gleichen sich. Beide stießen im letzten Jahr vom College ins Profilager und machten schnell auf sich aufmerksam. Beide gehören wohl zu den vielversprechendsten amerikanischen Talenten des Spiels: Morikawa ist schon Majorsieger, Wolff wäre es fast gewesen. Bei der US Open 2020 spielte er bis zum Finale um den Titel mit, doch hatte er gegen das Kraftpaket DeChambeau in Winged Foot das Nachsehen. Trotzdem prophezeien einige Experten Matthew Wolff eine schillerndere Zukunft als Morikawa. Er sei ein Golfer der neuen Generation, schlägt deutlich länger als Morikawa. Sein Name scheint sich schon nach einem Jahr zur Marke entwickelt zu haben, sein außergewöhnlicher Schwung erhascht ihm Sympathien bei den Zuschauern. Die PGA Championship beendete er auf Rang vier, bei der Rocket Mortgage Classic und der Shriners Hospitals for Children Open verpasste er die Titel jeweils nur um wenige Schläge. In der Weltrangliste verbesserte er sich vom 117. Platz zu Beginn des Jahres auf den Rang 15. Matthew Wolff gehört zu den Gewinnern des Jahres 2020 und ist ebenfalls ein heißer Anwärter auf ein schillerndes Jahr 2021.

Matthew Wolff. (Foto: Getty)

Matthew Wolff. (Foto: Getty)

Martin Kaymer – Der Trend zeigt nach oben

Das Jahr 2019 war für Martin Kaymer aus sportlicher Sicht ein dunkles. Er verlor seine volle Spielberechtigung auf der PGA Tour und seine Qualifikation für die vier Majorturniere – durch seinen Sieg bei der US Open 2014 – lief aus. In der Weltrangliste fiel er zwischenzeitlich bis auf den 198. Rang, sein tiefster Stand seit 2006. Doch 2020 ging es wieder bergauf für Kaymer. Bei der US Open und der PGA Championship scheiterte er zwar am Cut, doch auf der European Tour spielte er stark auf – und er fand seine Konstanz wieder. Zwölf Mal trat er in diesem Jahr abseits der Majorturniere an und verpasste nur zweimal den Cut. Obendrein spielte er sich bei der Hälfte dieser Turniere in die Top 10, verpasste den Sieg beim Andalucia Masters und der UK Championship nur um Haaresbreite. In der Weltrangliste verbesserte er sich von Rang 125 auf Platz 81. Der Trend zeigt nach oben, Turniersiege scheinen im kommenden Jahr im Bereich des Möglichen.

Martin Kaymer. (Foto: Getty)

Martin Kaymer. (Foto: Getty)

Die Verlierer des Jahres

Justin Rose – Wo ist die Konstanz hin?

Justin Rose liegt zum Ende des Jahres 2020 auf dem 32. Rang der Weltrangliste, schlechter platziert er sich seit acht Jahren nicht mehr. Dem Engländer, der im Laufe seiner Karriere in Besonderen durch seine beeindruckende Konstanz bestach, ging ebendiese 2020 völlig abhanden. Ein Grund dafür war sicherlich der arg zerfledderte Turnierkalender, aber schon vor der Zwangspause verpasste er – damals noch auf Rang 8 der Weltrangliste – bei drei seiner vier Turnierteilnahmen den Cut und beendete das einzige Wochenende beim Genesis Invitational auf dem geteilten 56. Platz. Als es nach der dreimonatigen Pause wieder losging, spielte Justin Rose eine starke Charles Schwab Challenge und wurde Dritter. War jetzt wieder mit Justin Rose zu rechnen? Nicht wirklich. Bei sechs seiner zwölf gespielten Turnier verpasste er den Cut erneut. Positive Resultate wie sein neunter Platz bei der PGA Championship waren eine seltene Ausnahme.

Justin Rose. (Foto: Getty)

Justin Rose. (Foto: Getty)

Brooks Koepka – Ein körperlich gebeuteltes Jahr

“Es hätte nicht viel schlimmer kommen können als im Sommer. Mein Körper ließ mich nicht die Dinge tun, die ich tun wollte”, resümierte Brooks Koepka sein Jahr 2020. Der sonst so erfolgsverwöhnte Amerikaner lag sowohl am Ende des Jahres 2018 und 2019 an der Spitze der Weltrangliste, nun muss er sich mit Rang zwölf begnügen. Gründe dafür waren, wie Koepka erklärte, anhaltende Probleme mit seinem Körper. Immer wieder hatte er Schmerzen in Hüfte und Knie, einige Turniere, darunter die US Open, die er 2017 und 2018 gewann, musste er deswegen sogar absagen. Auch sonst fand sein Spiel keinen Rhythmus, er blieb in diesem Jahr sieglos. Auffällig durch zahlreiche Turniersiege wurde Koepka auch in der Vergangenheit nicht, doch bei den Majorturnieren war mit dem 30-Jährigen umso mehr zu rechnen. Erstmalig seit 2016 gewann er in diesem Jahr keines dieser Turniere, doch beim US Masters, dem abschließenden Major 2020, wurde Brooks Koepka immerhin wieder Siebter. In Zukunft wird mit “Mr. Major” sicherlich wieder zu rechnen sein.

Brooks Koepka. (Foto: Getty)

Brooks Koepka. (Foto: Getty)





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