Erinnern Sie sich noch, als Tyrrell Hatton im Kapuzenpullover die BMW PGA Championship gewann? Ausgerechnet im erzkonservativen englischen Wentworth, das – ganz nebenbei bemerkt – ja mittlerweile auch einem asiatischen Magnaten gehört? Die eine Hälfte fand‘s cool, die andere regte sich mächtig über Huttons Hoodie auf, monierte einen neuerlichen Tabubruch in Sachen Golf-Dresscode und weinte vergangenen Etikette-Dogmen nach.

Einheitliches Outfit für erste Open-Kombattanten

Dabei sah der gedrungene Professional aus Buckinghamshire in seinem Adidas-Überzieher nun wahrlich nicht aus wie ein „Gangsta Rapper“ oder irgendeine sinistre Type, die unter einer Kapuze Gesicht und Gesinnung zu verbergen trachtet – was ohnehin absurd erscheint in Zeiten, wo pandemiebedingt ein Vermummungsgebot besteht, aka Mund-Nasenschutz.

Da gab es im Lauf der Golf-Jahrzehnte schon ganz andere Exzentriker und Modesünder, seit Colonel James Ogilvie Fairlie 1860 in Prestwick den acht ersten Open-Championship-Kombattanten einheitliche grobe Tweed-Joppen spendierte, auf dass sie halbwegs manierlich aussahen. Nicht jeder der frühen Professional pflegte einen gesellschaftlichen Umgang wie Old Tom Morris; manche liefen herum wie Strauchdiebe und benahmen sich auch so.

Der angesagte Stil ist „Smart Casual“

Das Beispiel aus den ersten Jahren der Berufsspielerei taugt bestens, um einen Aspekt deutlich zu machen, der jedem Streifzug durch die Golf-Mode zugrunde liegen sollte: Das Spiel lässt sich in Alltagskleidung genießen – die sich im Übrigen entwickelt, verändert, Trends und Zeitläuften anpasst. „Smart casual“ wäre der entsprechende Terminus aus der Fachsprache. Nicht mal die Schuhe müsste man wechseln, seit der Sneaker gesellschaftsfähig geworden ist.

So war es von jeher. Old Tom Morris ging in St. Andrews sonntags genauso in die Kirche wie werktags auf die Links, er hatte bloß den feineren Anzug an und marschierte in seinen genagelten Schuhe auf dem Steinboden des Gotteshauses nicht ganz so energisch wie auf dem Old Course.

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Bob Jones Jr. holte sich 1930 den Grand Slam in Schlips und Kragen – so, wie der Amateur auch in seiner Anwaltskanzlei in Atlanta saß. Einzige Referenz an die Sportausübung waren die Knickerbockers bzw. „Plus fours“, die Payne Stewart später zum Kult erhob, und die Spikes-Schuhe. Und sein Erz-Widersacher Walter Hagen befleißigte sich sogar einer übertrieben eleganten und peniblen Kleidung, um den damals geltenden Standesunterschied zwischen Gentlemen-Golfern und Profi-Parias wenigstens optisch zu egalisieren.

Hinwendung zum Country-Club-Charakter

In den 1950er-Jahren erreichte das Spiel – vom Fernsehen entdeckt und vom telegenen Arnold Palmer beflügelt – gerade in den USA das breite Bürgertum erreicht und im Kielwasser wandelte sich auch der Charakter der Golfmode. Die golfende Wohlstandsgesellschaft mit Wochenendfreizeit wechselte vom „Casual Friday“ im Büro zur Country-Club-Attitüde: kurzärmeliges Sporthemd mit Kragen, durch das Emblem des In-Labels Ralph Lauren schnell pauschal zum Polo-Hemd ernannt, legere Baumwollhose, Strickjacke oder -weste – und zum Essen oder abends den Club-Blazer drüber.

Legendäres Stilleben der Lässigkeit

Das passende Foto haben Ben Hogan und Arnold Palmer beim Masters 1966 geliefert, die während einer Einspielrunde rauchend am Abschlag warten und damit ein legendäres Stilleben der Lässigkeit liefern.

Andererseits belebten oder beleidigten – je nach individueller Geschmacksrichtung – stets auch Gecken Gecken und Dandys, „Überstyler“ und Poser das Auge des Betrachters. Der verstorbene große Mime Robin Williams hat dazu mal den Satz der Sätze gesagt: „Golf ist eine der wenigen Sportarten, in denen sich ein weißer Mann kleiden kann wie ein schwarzer Zuhälter.“

Nach diesem Statement wird‘s schwierig, noch Beispiel anzuführen. Doch an Chi Chi Rodriguez beispielsweise ist kein Vorbeikommen. Die oft von einem schreiend bunten Habitus begleitete Profi-Karriere des Puerto Ricaners begann 1960, und er könnte getrost als eine Art Impulsgeber für den frühen Ian Poulter und seinen schräges Klamotten-Kosmos oder manch anderes Farbspektakel auf den Fairways dieser Welt durchgehen – man erinnere sich beispielsweise an Rickie Fowlers von Hut bis Hose einheitliches Orangen-Outfit.

Funktionskleidung und Michelle Wies „Racerbacks“

Wenigstens brauchte es für die bunten Tupfer keiner Revolution wie sie der einstige Paradiesvogel und spätere Steffi-Graf-Gatte André Agassi in den späten 1980er-Jahren dem bis dato erklärtermaßen „weißen Sport“ Tennis bescherte. Freilich, das Dresscode-Diktat im Golf scheint kein Deut besser, wenn selbst im 21. Jahrhundert Leute wegen schwarzer oder Ringelsocken gerüffelt werden.

Irgendwann hielt dann die Funktionsbekleidung Einzug. Letztlich bahnte Tiger Woods dieser Entwicklung den Weg, weil er das eigentlich verpönte T-Shirt durch den „Turtle Neck“, den höheren Kragensaum, salonfähig machte. Teile der Branche nahmen das Angebot dankend an, insbesondere bei den Proetten, wo sich besonders Michelle Wie derart dem Gym-Stil verschrieb, dass sich die LPGA noch 2017 genötigt sah, die Bekleidungsvorschriften zu verschärfen und ein Dekret mit „No-Gos“ zu veröffentlichen: Sporttops ohne Kragen, die sogenannten „Racerbacks“, tiefe Ausschnitte, Hüftröcke und -shorts, bauchfreie Kleidung, Leggins  ohne Rock. Manchen Protagonistinnen kam das wie ein Rückfall ins Mittelalter vor.

Hoodie-Debatte „zeigt, was im Golf falsch läuft“

Dass jetzt ein Hoodie für Halligalli sorgte, scheint völlig paradox, wo sich Golf doch veränderten Lebenswelten anpassen muss sowie einer digital justierten Jugend öffnen möchte; und selbst Marty Hackel, der Fashion-Fachmann von „Golf Digest“ für eine Abkehr vom Althergebrachten plädiert und Jeans, losen Hemdenzipfeln oder nach hinten gedrehte Basecaps den Ablass gewährt.

Wie auch immer, Hutton fand flugs Nachahmer wie Rory McIlroy, der ein vergleichbares Kleidungsstück seines Outfit-Ausrüster Nike zur Schau trug. Der US-Pro Harold Varner III brachte die Debatte via Twitter mit der Bemerkung auf den Punkt: „Wenn Golf wegen eines Hoodies besorgt ist, dann zeigt das augenfällig, was im Golf alles falsch läuft.“ Und selbst die Straße hat Partei ergriffen:





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